Blog, Buch, Was macht eigentlich ein Dirigent

TEIL I

1.1 Was ist das eigentlich: Klassik?

Eine Begriffsbestimmung

1.2 Wofür ist Musik eigentlich überhaupt gut?

Musik und ihre Funktionen

1.3 Hast du Worte?

Sprechen über Musik

Exkurs: Das Phantom der Musik

Das Metrum

1.4. Was ist das Besondere an klassischer Musik?

Warum Klassik einzigartig ist

1.5. Absolute- und Programm-Musik

Kann, darf, soll oder muss man sich zu Musik etwas vorstellen?

Es ist ein jahrhundertealter Streit, der selbst heute (besonders unter Komponisten) immer wieder neu entflammt: ist Musik eine „absolute“ Kunst, also „tönend bewegte Form“, wie es der Kritiker Eduard Hanslick vor über 100 Jahren formulierte1, oder ist sie nur Ausdruck anderer Wahrnehmungen und Empfindungen, sozusagen eine Beschreibung der Wirklichkeit mit akustischen Mitteln?

Wie immer, wenn ein Streit nicht endgültig beigelegt werden kann, liegt die Wahrheit im Sowohl-als-auch. Musik kann Dinge der äußeren oder inneren Welt ausdrücken und beschreiben („malen“, wie man im 18. Jahrhundert sagte), aber sie muss es nicht. Tatsache ist, dass die Assoziationen, die wir beim Anhören eines Musikstückes haben, erstens individuell unterschiedlich, auch unterschiedlich stark, sind und zweitens sehr davon abhängen, was wir über das Stück wissen. Das bedeutet: Falls der Komponist uns mitteilt, was wir uns vorstellen sollen, gelingt das – wenn er seinen Job gut gemacht hat – ganz gut; ohne diese Information wird die Musik aber von sich aus nicht notwendigerweise die gewünschten Bilder hervorrufen – Bilder zwar durchaus, nur eben nicht immer die beabsichtigten.

Auch hier könnte noch eine Box sein, als Farben bringt uns das Theme folgende Optionen: yellow, red, green, white, blue, lightgrey, grey & dark

Allerdings können wir durch Hörerfahrung bestimmte Topoi (Gemeinplätze) lernen: Wenn wir mehrmals den charakteristischen Rhythmus der Darstellung eines Pferdegalopps gehört haben (z.B. in Liszts Tondichtung „Mazeppa“), dann sind wir in der Lage, diesen Rhythmus und seine Bedeutung auch auf andere Stücke zu übertragen und, wenn er bei einem anderen Komponisten auftaucht, die entsprechende Assoziation zu haben.

Einen Höhepunkt des Streites zwischen „absoluter“ und „Programm“-Musik erlebte die Musikwelt in der Auseinandersetzung der sogenannten neudeutschen Schule um Franz Liszt gegen den „Klassizisten“ Brahms. Die Neudeutschen (mit ihnen Wagner, der bezeichnenderweise so gut wie nur Opern schrieb, in denen die Ausdeutung von Wirklichkeit bzw. Handlung natürlich die wichtigste Aufgabe des Komponisten ist), wollten mit Musik ein „Programm“ vertonen, eine poetische Vorgabe; demgegenüber bestand Brahms darauf, dass Musik ihren Wert in und an sich habe und solcherlei „Basis“ nicht bedürfe – folgerichtig schrieb er keine einzige Oper und eine Menge „abstrakter“ Kammermusik.

Was letztendlich ein konkreter Zuhörer sich beim Anhören eines bestimmten Stückes „denkt“, welche Bilder in ihm hochsteigen, entzieht sich der Kenntnis und auch des Einflusses sowohl des Komponisten als auch des Interpreten. Ohnehin benutzen die Interpreten ihre eigenen Methoden von Vorstellungsbildern, um bestimmte Wirkungen oder eine bestimmten Ausdruck zu erzielen – wodurch die Kette der Missverständnisse sich noch um ein Glied erweitert.

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1 Wie so viele interessante Figuren der Geschichte wurde auch Hanslick ein Opfer der Geschichtsschreibung: Indem er Wagner zu dessen Lebzeiten vehement ablehnte, war ihm ewige Verdammnis in späteren Zeiten sicher. Wagner hatte ursprünglich sogar vor, den ewigen Kritiker der Meistersinger, Beckmesser, „Hans Lick“ zu nennen. Dabei war, was Hanslick über Musik zu sagen hatte, durchaus klug und bedenkenswert.